Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, hat der Schriftsteller HH einmal treffend formuliert; das gilt i.a.R. auch für den Start an einem neuen Arbeitsplatz. Doch die Zeit davor ist meist weniger zauberhaft. Zweifel, Ängste, Hoffnungen, Enttäuschungen - ein Wechselbad der Gefühle.Besonders schwierig gestaltet sich ein Jobwechsel, wenn er nicht von außen herbeigeführt wurde - über eine Kündigung z.B. - sondern wenn Sie selbstbestimmt entscheiden müssen, ob es nicht ratsam sei, hier zu gehen, um dort neu anzufangen. In einer solchen Situation ist es wichtig, besonnen zu überlegen und am besten aufzuschreiben, was einem durch den Kopf geht. Zunächst sollten Sie die tatsächlichen Motive überprüfen: Was steckt wirklich hinter Ihren Träumen von einer neuen Karriere an einem anderen Arbeitsplatz? Einige Motive können sein:
- Sie möchten sich einer neuen Aufgabe widmen
- Sie möchten mehr Geld verdienen
- Sie möchte Karriere machen
- Sie fühlen sich in Ihrem beruflichen Umfeld nicht (mehr) wohl
- Sie sind über- oder unterfordert
- Sie brauchen eine schnelle Übergangslösung
- Sie möchten in eine andere Stadt oder ein anderes Land ziehen
- Ihrer Firma droht womöglich der Konkurs
Alles Neue reizt
Wenn Sie ein Jobangebot von einer anderen Firma erhalten, ist das natürlich reizvoll: Weil etwas Neues auf Sie wartet, und weil man Sie offenbar wertschätzt. Dennoch: Überlegen Sie genau, in welcher Hinsicht das neue Angebot tatsächlich besser ist, z.B. in punkto Bezahlung oder Aufstiegschancen. Überlegen Sie dabei, was Ihre inneren Bewegungsgründe sind: Karriere, Geld, ein gutes Team, Familie und Freunde, gute Freizeitmöglichkeiten, etc.Werden Sie sich klar, was mit dem Wechsel alles verbunden ist. Wie ist die neue Firma aufgestellt? Ziehen Sie Erkundungen ein, im Internet, im Wirtschaftsteil der Zeitungen, in Branchenmagazinen. Wenn es Ihnen möglich ist, statten Sie der suchenden Firma einen Besuch ab, nehmen Sie die Atmosphäre und Stimmung dort auf, sehen Sie sich die Räumlichkeiten an. Vielleicht können Sie sogar etwas über Ihre potenziellen Kollegen in Erfahrung bringen. Was bedeutet der Wechsel für Sie privat? Ist ein Umzug notwendig? Folgt daraus eine Veränderung des Bekanntenkreises? Was bedeutet der Wechsel für Ihre Familie oder für Ihren Lebenspartner? Welche Kosten sind mit dem Wechsel verbunden? Wie viel Reisetätigkeit wird von Ihnen gefordert?
Unzufrieden am Arbeitsplatz
Das passiert einfach: Ihr jetziger beruflicher Alltag stellt Sie nicht mehr zufrieden. Sie bemerken es vielleicht daran, dass Sie nicht mehr gern zur Arbeit gehen. Vielleicht sind Sie unterfordert, oder aber Sie stehen permanent unter starkem Druck und fühlen sich gestresst. Vielleicht zeigen sich erste körperliche Anzeichen wie Schlaflosigkeit, Konzentrationsmangel, Magenbeschwerden, vermehrte Kopfschmerzen oder gar Herzbeschwerden. Vielleicht erleben Sie emotionale Schwankungen oder es quält Sie das Gefühl, vieles nicht mehr zu schaffen. Nehmen Sie diese "Warnsignale" ernst. Vielleicht sind es aber auch Kolleginnen, Kollegen, Chefin oder Chef, die Ihnen zu schaffen machen. Sind Sie in Ihrem Team wirklich gut integriert? Fühlen Sie sich wertgeschätzt? Gefällt Ihnen der Umgangston an Ihrem Arbeitsplatz? Gibt es womöglich Anzeichen von Mobbing, von Abwertungen oder Nicht-Beachten?Prüfen Sie in einem ersten Schritt, was genau Sie unzufrieden macht. In einem zweiten Schritt ist es wichtig, den eigenen Anteil und den Fremdanteil zu überprüfen. Dies ist ein Prozess, der etwas Zeit in Anspruch nimmt und der von Ihnen verlangt, sich selbst und andere ehrlich zu beobachten. Vielen hilft es schon, eine Woche lang alle Beobachtungen aufzuschreiben, um die dahinter liegenden Mechanismen zu erkennen. Anhand der folgenden Liste können Sie überprüfen, ob sich hinter Ihrem Stress eine änderbare Einstellung verbirgt. Mit den folgenden Gedanken setzen Sie sich selbst unter Druck:
- Starke Menschen brauchen keine Hilfe
- Keiner hat das Recht, mich zu kritisieren
- Ich bin vom Pech verfolgt
- Änderungen sind unnatürlich
- Ich muss besser sein als die anderen
- Es ist wichtig, dass alle mich akzeptieren
- Es gibt nichts Schlimmeres als Fehler zu machen
- Es gibt immer eine perfekte Lösung
- Ich darf niemandem wehtun
- Wenn man Problemen und unangenehmen Situationen aus dem Weg geht, verschwinden sie mit der Zeit von selbst
- Ich bin für alles verantwortlich
- Man kann sich auf niemanden verlassen
- Die anderen sind besser, schöner, stärker als ich
Mit einer zweiten Liste können Sie überprüfen, ob Ihr Gegenüber einen Anteil am Stress hat:
- Vom Gegenüber kommen unklare Anordnungen. Wünsche werden nicht offen angesprochen
- Wegen mangelnder Organisation kommt es zu unnötigen Zeit- oder Informationsverlusten
- Ihr Gegenüber erwartet, dass Sie quasi seine Gedanken lesen können
- Privates und Berufliches wird vermengt, es fehlt an klaren Abgrenzungen
- Hinter Ihrem Rücken wird über Sie geredet
- Sie erhalten für Ihre Arbeit keine Anerkennung
- Sie werden von wichtigen Informationen oder Teamsitzungen ausgeschlossen
- Sie können niemanden um Rat fragen
Aus einem Gefühl der Unzufriedenheit heraus kann der Wunsch entstehen, einfach alles "hinzuschmeißen". Häufig besteht dann schon eine starke körperliche und seelische Erschöpfung, weil die eigenen Ressourcen am Ende sind. Negative Gedanken und das Gefühl, für den eigenen Einsatz nicht genug Bestätigung bekommen zu haben, können in eine depressive Krise führen. Bevor Sie aus Verzweiflung eine für sie schädliche Entscheidung treffen, suchen sie eine profesionelle Beratung auf.
Andere Lebensumstände
Ein triftiger Grund für einen Jobwechsel sind Veränderungen der eigenen Lebensumstände, wie z.B. Umzug, Familiengründung, eine neue Partnerschaft, die Pflege von Angehörigen, aber auch ein Umzug der Firma und damit verbunden ein längerer Anfahrtsweg. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten: Vielleicht können Sie die Arbeitszeit reduzieren oder die Arbeitszeit umorganisieren (z.T. von zu Hause aus arbeiten); vielleicht nehmen Sie sich eine Job-Pause (Sabbatical), bis zu Hause wieder alles besser läuft, oder aber Sie nehmen die Veränderung tatsächlich zum Anlass, auch Ihrer Karriere einen Neustart zu verpassen.
Der Firma droht Konkurs
Vielleicht kursieren in Ihrer Firma Gerüchte, dass die finanzielle Lage nicht mehr stabil sei. Das macht Sie unsicher. Erkundigen Sie sich zunächst, was an der Gerüchten dran ist. Versuchen Sie, an objektive Informationen heranzukommen. Anzeichen dafür, dass es der Firma schlecht geht, sind z.B. verspätete oder versäumte Gehaltszahlungen, ein Verbot von Reiseaktivitäten, Streichung von Fortbildungskursen, etc. Wenn der Firma ein Konkurs droht, sorgen Sie vor, das heißt, lassen Sie sich z.B. ein Zwischenzeugnis schreiben (ggf. selbst formulieren und vom Vorgesetzten unterschreiben lassen), ordnen Sie für Ihren beruflichen Werdegang wichtige Unterlagen. Beginnen Sie rechtzeitig, sich neu zu bewerben. In einem solchen Fall ist der richtige Zeitpunkt wichtig. Stecken Sie nicht den Kopf in den Sand, nach dem Motto, "uns wird schon nichts passieren", sondern gehen Sie die Situation aktiv an und spielen Sie in Gedanken alle Möglichkeiten durch.
Frust darf mal sein
Nicht jeder Tag im Beruf kann ein Glanzpunkt Ihres Arbeitslebens sein. Verlassen Sie nicht ein gutes Schiff, nur weil mal klein Wind geht. Vielelicht hat Ihr Chef berufliche, private oder gesundheitliche Probleme und ist deshalb eine Weile schlechter gelaunt; vielleicht ist der Zeitdruck gerade hoch, weil ein Kunde einen großen Auftrag erteilt hat, vielleicht ist Ihre eigene Ausstrahlung nicht die Beste. Bewerten Sie vorübergehende Situationen nicht über und nehmen Sie diese nicht persönlich. Gehen Sie nicht aus einer momentanen Laune heraus, sondern legen Sie sich ein gesundes Maß an Frustrationstoleranz zu. Manche kleinen Unstimmigkeiten sind mit Humor gut zu überstehen.
WANN EIN WECHSEL WIRKLICH SINNVOLL IST
Bleiben oder Gehen? Die folgende Checkliste sollen Ihnen helfen, Ihre Entscheidung wohlüberlegt zu treffen.
Besser nicht spontan reagieren: Handeln Sie niemals überstürzt aus emotionaler Betroffenheit oder Erschöpfung heraus. Diese akut zwar entlastenden Entscheidungen ziehen häufig große Schwierigkeiten nach sich.
In Ruhe nachdenken: Geben Sie sich die Zeit, in Ruhe nachzudenken und lassen Sie sich eventuell profesionell beraten. Schreiben Sie Ihre Beweggründe auf, warum Sie gerade jetzt oder in naher Zukunft Ihren Job wechseln wollen.
Erstellen Sie einen Aktionsplan: Schreiben Sie in einem Aktionsplan auf, worauf Sie in den nächsten Wochen bzw. Monaten achten müssen, z.B. neue Stellenangebote durchlesen, Kontakte aktivieren, Ihr Leistungsprofil klar herausarbeiten, den Lebenslauf aktualisieren, Ihre Finanzen durchgehen usw.
Holen Sie sich Unterstützung: Diskutieren Sie Ihre Überlegungen mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin, mit Freunden, mit der Familie oder auch mit einem profesionellen Berater. Die Aufmerksamkeit und Unterstützung stärken Ihren Mut.
Auf die eigene Absicherung achten: Achten Sie bei einem beruflichen Wechsel immer auf die eigene Absicherung: Ist dieser Wechsel für Sie finanziell tragbar? Sind Sie weiterhin kranken- und rentenversichert? Haben Sie rechtzeitig auf Ihre Zeugnisse und Bescheinigungen geachet? Ist Ihnen ein neuer Job schriftlich zugesagt? Haben Sie auf dem Arbeitsmarkt eine reelle Chance?
Nehmen Sie Abschied im Guten: Wenn Sie sich zu einer beruflichen Änderung oder zu einer Jobpause entschieden haben, so schneiden Sie nicht einfach so von Ihrem jetzigen Arbeitsplatz. Teilen Sie Ihre Entscheidung zunächst Ihrem Vorgesetzten mit. Bereiten Sie sich innerlich auf die mögliche Reaktion vor. Berichten Sie dann den Kolleginnen und Kollegen von Ihrer Entscheidung. Wenn es möglich ist, gehen Sie im Guten. Vielleicht ist auch eine kleine "Abschiedsfeier" angesagt. Hinterlassen Sie immer einen positiven Eindruck.
*Dr. Claudia Christ, ärztliche Psychotherapeutin und Coach
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