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Sonntag, 28. Oktober 2007

Total besteuert!

[Translation]
Die Abgeltungssteuer verkürzt die Rendite für 20-jährige Aktiensparpläne um etwa 10 bis 15%. Warum dann noch sparen?, fragt sich der langfristige Wertpapier-Sparer.

Mit der Losung "Lieber 25% auf x als 42% von gar nix" hat Bundesfinanzminister Steinbrück im Frühsommer die Abgeltungssteuer als Teil der reformierten Unternehmensteuer skizziert. Viele Aktionäre wundern sich, wie in kurzer Zeit ein Gesetz beschlossen werden konnte, das den Vorsorgeinteressen der Deutschen so sehr widerspricht. Den Wertpapier-Sparern jedenfalls, die ihre Vorsorge über langfristige Aktienanlagen treffen wollen, wurde mit der ab 2009 geltenden Regelung ein Mühlstein um den Hals gehängt. Sie gelten als große Verlierer der Abgeltungssteuer, denn falls sie ihr Vorsorgeziel ungeschmälert erreichen wollen, wären sie gezwungen, ihre Sparanstrengungen abermals zu erhöhen oder sich angesichts der massiven Einschnitte grundlegend neu auszurichten. Die Kritik geht so weit, dass Fachleute wie z.B. Prof. Ekkehard Wenger von der Uni Würzburg, vor dem schlimmsten Aderlass an Kapital seit dem Zweiten Weltkrieg warnen.

Künftig werden grundsätzlich alle Einkünfte aus Kapitalvermögen versteuert, also Zinsen, Dividenden und als neuer Bestandteil Aktienkursgewinne, sofern sie ab dem Jahr 2009 verwirklicht werden. Das Halbeinkünfteverfahren fällt weg, an dessen Stelle tritt die volle Dividendenbesteuerung. Neu ist ferner, dass die Erträge an der Quelle endgültig besteuert werden und das lästige Ausfüllen der Steuerformulare nicht mehr nötig sein wird. Nach den neuen Regelungen tritt eine Ersparnis ein, wenn die Bruttoeinkünfte eines Anlegers/Ehepaars höher sind als etwa 20Tsd EUR/40Tsd EUR. Die übrigen Steuerzahler würden mit dem effektiven Abgeltungssteuersatz von knapp 29% (inkl. Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) die Vereinfachung über eine höhere Steuerbelastung erkaufen - oder wahlweise nach alter Manier veranlagen. So weit, so einfach, könnte man meinen.

Ein fachkundiger Blick hinter die Reformkulisse verrät jedoch viele ungeklärte Detailfragen, vor allem die mit der Administration verschiedener Verlustverrechnungstöpfe einhergehenden Regeln erscheinen im Detail so hochkompliziert und unbeherrschbar, dass namhafte Experten, u.a. Prof. Stefan Homburg von der Uni Hannover, der Abgeltungssteuer bereits mittelfristig ein EDV-technisches K.o. voraussagen.

Keine steuerliche Entlastung
Obwohl die Gesetzesbegründung eine steuerliche Entlastung verspricht, tritt diese, verglichen mit geltendem Recht, nicht ein. Das Halbeinkünfteverfahren für Dividenden kostet in der Spitze knapp 24% Steuerbelastung, während mit der Abgeltungssteuer auf die vollen Einkünfte standardmäßig etwa 29% kassiert werden, selbst im günstigsten Fall gut 20% mehr. Zudem wirkt erhöhend, dass die Depotverwaltungskosten und Zinsen für Wertpapierkredite selbst bei voller Veranlagung bis auf einen der Sache nach unangemessen niedrigen Sparer-Pauschbetrag von 801 EUR/1.602 EUR künftig gar nicht mehr abgezogen werden dürfen. Zugegeben: Oberhalb der genannten Einkommensgrenzen werden die Kapitaleinkünfte mit effektiv etwa 29% Steuerbelastung ggü. allen weiteren Einkunftsarten mit bis zu 48% Höchststeuersatz privilegiert und erfahren so doch eine Entlastung. Aber: Diese Rechnung wäre ohne den Wirt gemacht, denn der Staat wird sich über die systematische Einbeziehung langfristiger Kursgewinne weit mehr von den Aktionären zurückholen, als er ihnen über die geringere Dividendensteuer kurzfristig erlässt.

Die Abgeltungssteuer und das Verbot der Abziehbarkeit von Depotkosten verkürzen die Rendite für 20-jährige Aktiensparpläne um etwa 10 bis 15%. Bei doppelt so lang geführten Fonds muss man wegen der sich langfristig verschärfenden Wirkung des Kursgewinnsteuer mit bis zu 30% Einbuße rechnen. Warum dann noch sparen?, fragt sich der langfristige Wertpapier-Sparer. Dafür ein Bsp: Eine Anleger ist 45 Jahre alt und spart monatlich 20 Jahre lang 250 EUR mit jährlich 2% gesteigerten Raten und ohne jede Entnahme. Der Aktienfonds rentiert mit 8% p.a., wobei sich die Rendite über lange Sicht mit 35% über Dividenden und 65% über Kurssteigerungen erweist. Nach dem Halbeinkünfteverfahren, in dem die Hälfte der Erträge mit dem persönlichen Steuersatz (hier 35%) und die Kursgewinne gar nicht besteuert werden, hätte er im Alter nach Abzug aller Steuern und üblichen Depotverwaltungskosten ein frei verfügbares Vermögen von gut 148Tsd EUR erspart. Nach den Regeln der Abgeltungssteuer blieben ihm höchstens 135Tsd EUR - knapp 10% weniger. Dieser Griff in das Depot ist nicht nur in Europa beispiellos, er ist auch einsame Spitze, was das Über-Maß der Besteuerung betrifft. Ist es da nicht verständlich, dass viele Vorsorge-Sparer ihre Kapitalkoffer für das benachbarte Ausland packen?

Hier offenbart sich der elementare Fehler im deutschen Steuer- und Vorsorgesystem: Vergleicht man 2 Angestellte/Unternehmer gleichen Einkommens und gleichen Lebensalters, zahlt derjenige systematisch mehr Steuern, der spart.

Die letzte Hoffnung zur Abschaffung der neuen Regeln könnte von Karlsruhe kommen. Aus 2 Gründen: Mit der Abgeltungssteuer würde das im Steuerrecht herrschende Prinzip der gleich hohen Besteuerung aller Einkünfte durchbrochen. Und sie verstößt gegen das Prinzip, dass ein Sachverhalt nicht doppelt besteuert werden darf. Das neue System bedeutet 4-fache Besteuerung und die Verwässerung der Grenze zwischen Einkommens- und Substanzbesteuerung. Zuerst wird der Unternehmensgewinn gegriffen, danach folgt die Dividenden-Abgeltung. Im Fall des Kursgewinns kostet es Steuer auf dem Vermögenszuwachs. Verstirbt der Anleger, scheut sich der Staat nicht, posthum ein 4. Mal zu klingeln: Erbschaftsteuer - Total besteuert!

Von: Ludger Weeg, Steuerberater, Rheda-Wiedenbrück

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