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Samstag, 26. Mai 2007

Work-Life-Balance >< Mehr Gehalt tut gut - mehr Spaß auch

Es ist ja oft zu hören, dass man einen Ausgleich zwischen Arbeit und Privat haben möchte. Oft ist es auch hart zu realisieren. Ich habe einen interessanten Artikel von Christiane Habermalz gelesen. Ich möchte ihn nicht für mich selbst vorenthalten. Deshalb teile ich ihn euch mit. Viel Spaß!


Geld ist nicht alles. Im Job zählt auch, ob man sich auf seinem Arbeitsplatz wohl fühlt und ob es gelingt, das Privatleben mit dem beruflichen Erfolg in Einklang zu bringen. "Work-Life-Balance" heißt das Zauberwort, das ein ausgewogenes Verhältnis von Arbeit und Privatleben verspricht. Doch je schlechter die Zeiten, desto weniger Raum für Sonderwünsche.

Angela Mertens hatte nach der Geburt ihres Sohnes keinen Grund zur Sorge. Mit ihren Chefs, Geschäftsführern einer mittelgroßen Werbeagentur, hatte sie vereinbart, nach dem Mutterschutz zunächst stundenweise weiterzuarbeiten und dann nach einem Jahr auf eine Teilzeitstelle zu gehen. Doch dann wurde die Auftragslage schlechter, die Chefs riefen zerknirscht bei ihr an, man verständigte sich auf einen Aufhebungsvertrag und eine Abfindung. "Dumm gelaufen", seufzt die junge Mutter. Von zehn Mitarbeitern mußte ausgerechnet sie gehen. Natürlich hätte sie - rein rechtlich - auf ihren Job bestehen können. "Doch wie hätte ich dann mit meinen Chefs weiter zusammenarbeiten sollen?" Auch den Vätern geht es nicht unbedingt besser. Ein freier Kameramann, seit Jahren für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten tätig, kündigte seinen Arbeitgebern an, in Zukunft etwas weniger arbeiten zu wollen und keine Jobs im Ausland mehr anzunehmen, weil seine Frau Zwillinge erwartete. Fortan blieben die Aufträge ganz aus. Es war, als hätte in den Redaktionen eine unsichtbare Hand seinen Namen von der Liste der freien Mitarbeiter gestrichen. Mit Einschränkung verfügbar, hieß so viel wie gar nicht mehr verfügbar. Denn Vollzeitkollegen gab es schließlich genug.

Die schwachen Wachstumszahlen in der deutschen Wirtschaft stehen im Widerspruch zu den mittlerweile beträchtlichen Errungenschaften der Sozialgesetzgebung, die nicht nur Eltern, sondern auch allen anderen Arbeitnehmern ab einer Betriebsgröße von 15 Mitarbeitern einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit einräumen - solange keine wichtigen betrieblichen Gründe dagegen sprechen. Doch was in großen Unternehmen oft noch problemlos funktioniert, wird in kleineren und mittelständischen Unternehmen immer schwieriger umzusetzen. "In jedem Fall sollten Angestellte immer nur auf einen bestimmten Zeitraum befristet in Teilzeit gehen", rät Manfred Fraunhoffer, Leiter der Rechtsschutz GmbH des Deutschen Gewerkschaftsbundes. "Sonst besteht die Gefahr, dass sich der Arbeitgeber die Hände reibt und die Stelle gleich ganz in eine Teilzeitstelle umwandelt - um so Arbeitszeit und Lohnkosten zu sparen."

Eine andere Möglichkeit, aus der täglichen Job-Routine auszubrechen und neue Energien zu tanken, ist das Sabbatjahr. Hier spart der Mitarbeiter über mehrere Jahre Überstunden an, um sie dann in einer sechs- bis zwölfmonatigen Auszeit "abzubummeln". In anderen Modellen verzichtet er auf einen Teil seines Gehaltes und bekommt so während des Sabbatjahres weiter Bezüge. Einen Rechtsanspruch auf ein Sabbatjahr gibt es allerdings nicht. Höchstens, wenn man es als besonderes Modell der Teilzeit definiere. "In den Verhandlungen mit dem Chef sollte man aber darauf hinweisen, dass eine Auszeit des Mitarbeiters auch dem Unternehmen dienlich sein kann", so Fraunhoffer. Beispielsweise wenn sie dazu genutzt wurde, sich über die eigenen Berufsziele neu zu orientieren, sich fortzubilden oder einfach nur mit Motivation für neue Aufgaben zurückzukehren.

Ob die freie Zeit nun der Doktorarbeit oder der Familie zugute kommt - Teilzeit in Führungspositionen oder in einem karrierebewußten Umfeld halten immer noch viele für nicht machtbar - auch die Mitarbeiter selbst. In der Spitzen-Anwaltskanzlei Taylor-Wessing, mit 210 Partnern eine der größten Sozietäten Deutschlands, ist der Begriff "Worki-Life-Balance" ein Wort aus einer anderen Welt. Bei einem 15-Stunden-Arbeitstag wird die Frage nach mehr Freitzeit gar nicht erst gestellt. "So was hatten wir noch nicht", verweist Kanzleisprecherin Marie-Christine Shenouda Teilzeitmodelle oder gar Anwältinnen mit Kinderwunsch in den Bereich des Irrealen. Doch, eine einzige Partnerin gebe es, die jetzt in Mutterschutz gehen und dann halbtags weiter arbeiten wolle. "Da kommen dann schon Sprüche von der männlichen Partnerschaft", räumt Shenouda ein.

Die Hamburger Wirtschaftsprofessorin Sonja Bischoff hält das rot-grüne Teilzeitgesetz gesellschaftspolitisch sogar für einen völlig falschen Weg. Denn in ihren Augen hält es vor allem Frauen davon ab, Karriere zu machen. In einer Studie hat sie Gehälter und Positionen von 1.000 Männern und Frauen aus dem Mittelmanagement untersucht. Danach sind es fast ausschließlich Frauen, die sich einen Teilzeitjob wünschen. Männer hingegen haben dieses Ziel kaum. "Solange immer genügend gut qualifizierte Männer als Vollzeitkräfte bereitstehen, werden keine Führungspositionen an Frauen gehen, die Teilzeit arbeiten", erklärt Bischoff. Und: Wer weniger arbeitet, verdient auch weniger und hat am Ende weniger Rente. Das führe Frauen wieder in die finanzielle Abhängigkeit der Ehemänner. Das Fazit der Wissenschaftlerin: "Es ist eine absolute Katastrophe, Frauen per Gesetz in die Teilzeit zu locken."

Also keine Babys, kein Sabbatjahr, keine Dreiviertelstelle, wenn man Karriere machen und seinen Job sichern will? "Nicht Kinder sind das Karrierehindernis", betont Bischoff, "sondern mangelnde Flexibilität in den Unternehmen." Denn in der Studie werde auch deutlich, dass Unternehmerinnen sehr viel häufiger Kinder haben als Angestellte - und das, obwohl die Mehrzahl weiter vollzeit arbeitet. Entscheidend ist dabei offenbar, dass sie selber einteilen können, wie lange und vor allem von wo aus sie arbeiten möchten. Bischoffs Fazit: "Wir brauchen die totale Flexibilisierung des Arbeitstags." Doch mit Blick auf die konjunkturelle Flaute räumt sie ein: "Es ist nicht die Zeit für Innovationen".

Für manche doch. In der Werbeagentur "Agentur Construktiv" arbeitet nicht nur ein Drittel der 29 Mitarbeiter in Teilzeit. Demnächst wird erstmals einer Mediaplanerin, die in Mutterschutz geht, eine VPN-Verbindung auf ihrem heimischen PC installiert, über die sie sich zuhause ins Firmenetzwerk einloggen und von dort weiter arbeiten kann. Zwischen 1.000 und 2.000 Euro kostet das VPN-Paket die Firma - plus 50 Euro für jede Software-Installation bei einem Mitarbeiter zuhause. Für Construktiv-Geschäftsführer Kai Tietjen eine lohnende Investition. "Sonst ginge mit jeder Schwangerschaft viel Know-How verloren - und jemanden Neues einzuarbeiten kostet mehr Geld und Arbeit."

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